Knowbody – Diese App modernisiert den Sexualkundeunterricht
Carolin Strehmel und Vanessa Meyer finden: Der Sexualkundeunterricht an den Schulen befindet sich nicht auf dem aktuellen Stand der Wissenschaft und muss dringend aktualisiert werden. Und das Internet helfe nicht unbedingt weiter, wenn es um die Beantwortung bestimmter Fragen um den eigenen Körper geht. Mit ihrer App Knowbody wollen sie ein zielgruppengerechtes Bildungsangebot zum Thema Sexualkunde schaffen, mit dem sie spätestens im August 2021 auch Geld verdienen wollen.
Um was für ein Projekt handelt es sich bei Knowbody? Bildungsangebot oder Startup?
Wir bezeichnen uns schon als Startup, aber noch viel lieber als Social Startup. Wir haben letzte Woche eine UG gegründet, denken aber langfristig über einen Verein nach, der alle Belange über die App hinaus betreuen soll. Da geht es zum Beispiel um Workshops für Lehrerinnen und Lehrer. Die Idee hinter dem Verein ist es, die vielen Stakeholder, mit denen wir uns im letzten Jahr vernetzt haben, seien das Lehrerende, Gynäkologen oder Sexualpädagoginnen und Sexualpädagogen, aktiver einzubinden und ihnen etwas von der Entscheidungsmacht abzugeben. Aber das ist noch Zukunftsmusik.
Was ist der aktuelle Stand von Knowbody?
Seit Februar arbeiten Vanessa und ich durch das Media Innovation Fellowships und des Gründerstipendiums NRW Vollzeit an der Idee. Davor hatten wir auch schon daran gearbeitet, waren aber noch in anderen Jobs. Was uns einen ordentlichen Schub gegeben hat, war die Auszeichnung zum Kultur- und Kreativpiloten Deutschland im letzten Jahr. Aktuell befinden wir uns in der Konzeptphase, ab Januar 2021 soll es dann mit dem Programmieren losgehen.
Das Thema eures Projekts Knowbody ist der Sexualkundeunterricht in Schulen. Was ist denn der aktuelle Stand der Sexualkunde und warum muss sich da etwas ändern?
Aufgefallen ist es uns, als wir bemerkt haben, dass Menschen in unserem Umfeld aber auch wir selbst offensichtlich gravierende Bildungslücken haben, wenn es um Sexualität, den Zyklus oder Infektionskrankheiten geht. Wir haben recherchiert und herausgefunden, dass nur 40 bis 50 Prozent der Jugendlichen von ihren Eltern aufgeklärt werden. In Interviews mit Biolehrerinnen und Biolehrern stellten wir fest, dass Sexualkunde nicht immer Teil des Studiums ist. Das heißt, die stehen vor einer Klasse und sollen etwas vermitteln, was sie eigentlich gar nicht gelernt haben. Dazu kommt noch, dass in den aktuellen Büchern das Thema sehr schmal ausfällt und Darstellungen einfach immer noch nicht korrekt sind. Zum Beispiel wird die Klitoris immer noch völlig falsch dargestellt. Wenn man jetzt mal schnell eine Frage googelt, kommt man nicht auf gescheite Antworten, sondern auf Pornoseiten oder auf Gutefrage.net, eine Plattform, auf der die Themen nicht professionell besprochen, sondern teilweise ziemlich schlimm behandelt werden. Wir haben also noch immer nicht dieselbe Aufklärungsbasis und es fehlt an guten Quellen. Selbst Lehrende haben keinen Zugriff auf aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse, die sie zum Beispiel für ihre Arbeitsblätter verwenden könnten, da selbst nicht alle Lehrbücher für Medizinstudierende nicht aktuell sind. Daran wollen wir mit unserer App etwas ändern.
Gibt es wirklich keine guten Quellen zu diesen Themen im Internet?
Es gibt im Allgemeinen schon sehr gute Institutionen, die an diesem Thema arbeiten. Da gibt es zum Beispiel “Jugend gegen Aids” oder “profamilia”. Aber zum Einen finden die nicht direkt im Unterricht statt und die Fortbildungsangebote basieren meist auf ehrenamtlichem Einsatz. Die schaffen es nicht ganz Deutschland abzudecken. Aus dem Netz kennen wir zum Beispiel die Plattform “OMGYes”. Das ist eine Plattform für Frauen, die aber auch sehr explizit ist. Wir haben uns gefragt, warum es so etwas nicht auch für junge Menschen gibt. Unsere Recherche hat uns dann aber weg von einer Plattform hin zu einer App geführt.
Warum habt ihr euch für eine App entschieden und nicht etwa für ein Internetportal?
Auf die Idee kamen wir in einem unserer zahlreichen Telefonate. Dazu muss man wissen, das wir damals nicht in der selben Stadt wohnten. Wir haben uns während des Masterstudiums an der Zeppelin Universität in Friedrichshafen kennengelernt – Vanessa hat dort Politik- und Verwaltungswissenschaften studiert und ich selbst General Management. Gemeinsam haben wir dort schon an dem Aufbau einer Initiative für Social Entrepreneurship gearbeitet, um sowohl Begriff als auch Konzept bekannter zu machen. Wir haben nach dem Studium zunächst noch oft telefoniert, da uns das Problem einfach nicht losgelassen hat. Und als wir wieder mal telefoniert und uns über nicht funktionierende Sexualaufklärung aufgeregt haben, kam die Idee, dass man dafür eigentlich mal eine Sexualkunde-App machen müsste. Wir haben anschließend ganz vielen Menschen von der Idee erzählt und viel positives Feedback bekommen. Gleichzeitig haben wir den Status quo bestehender digitaler Lösungsansätze analysiert und festgestellt: So, wie wir uns das vorstellen, macht das noch niemand. Von einer App hat uns außerdem überzeugt, dass sich die Inhalte sehr leicht aktualisieren lassen und wir auch Augmented Reality in die App integrieren könnten, was super cool ist.
Wie seid ihr an die Entwicklung der App herangegangen?
Wir haben von Tag 1 an mit Menschen gesprochen, die Ahnung davon haben. So machen wir im Prinzip alles. Wir haben uns relativ schnell mit vielen Menschen vernetzt und immer die richtigen Leute gefunden. So zum Beispiel auch unseren Entwickler Fabian, der jetzt Teil des Teams ist. Wichtig war es aber auch erst mal, sich um die Finanzierung zu kümmern. Mit einem Preisgeld von Generation-D, einem Stipendium des WerkX aus Bochum und dem Journalismus Lab, haben wir jetzt das Budget für einen Prototypen zusammen. In der Konzeptphase geht es zunächst einmal darum mit UX- und UI-Designern das Design der App zu entwerfen. Wir arbeiten mit Grafikdesignerinnen und Grafikdesignern zusammen, die uns Illustrationen anfertigen. Sehr wichtig wird für uns das Lektorat werden, denn wir sagen ja, dass es endlich so richtig verlässliche, moderne, zeitgemäße Inhalte geben soll. Das Lektorat soll den medizinischen Wissensstand überprüfen, Diversität sicherstellen und schauen, ob die Inhalte pädagogisch angemessen für 13- bis 16-Jährige aufbereitet wurden. Dabei werden uns hauptsächlich zwei Werkstudentinnen und Werksstudenten helfen, die wir gerade einstellen. Im Januar beginnt dann die Programmierung und im März wollen wir einen Prototypen fertig haben, den wir in einigen Schulen testen können.
Wie kann das Geschäftsmodell eines Social Startups aussehen? Wie seht ihr das Thema?
Das Thema Social Entrepreneurship ist noch immer nicht ganz im Mainstream angekommen. An sich sieht das Modell ja schon vor, dass man mit seiner Unternehmung einen Social Impact verfolgt und das auch der Hauptgrund ist, warum man die Idee umsetzt. Aber wir sind auch ganz klar ein Startup. Wir haben ein Geschäftsmodell und müssen funktionieren. Wir wollen uns selbst tragen und nicht unser Leben lang Förderanträge schreiben. Mit etwas Glück gehen wir aktuell davon aus, dass Anfang August im kommenden Jahr ein Produkt da ist, dass die Schulen für ihre Klassen einkaufen können. Wir haben dabei festgelegt, dass eine durchschnittliche Schulgröße nicht mehr als 200 bis 300 Euro im Jahr zahlt. Die Einnahmen fließen dann zurück ins Unternehmen und sollen zum Beispiel kostenlose begleitende Workshops für Lehrerende ermöglichen.
Wie kann man euch bei Knowbody unterstützen? Wo braucht ihr Hilfe?
Am Liebsten würden wir Schülerinnen und Schüler in den Entwicklungsprozess mit einbinden, die uns inhaltlich sagen, was sie interessiert und ob sie das überhaupt cool finden, auch beim Testing der UX. Klar, letztlich entscheiden die Lehrerinnen und Lehrer, ob sie die App einsetzen wollen. Aber primär geht es um die Zielgruppe der Schülerinnen und Schüler und es wäre eigentlich unlogisch, die nicht von Anfang an zu fragen, was sie interessiert und was sie wollen. Im Idealfall finden sich engagierte Lehrende, die sich das vorstellen können, dass wir mit ihnen und ihrer Klasse die App gemeinsam entwickeln.