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Das Zeitungsabo der Zukunft: Der Leser ist der Kunde – und König

Abonnements gehörten schon immer zum Geschäftsmodell der Zeitungen, jetzt setzen sie sich auch bei digitalen Angeboten durch. Einige der innovativsten Medienunternehmen weltweit sind aber schon ein gutes Stück weiter: Sie stellen den Leser ins Zentrum ihrer Unternehmenskultur.

Digitale Zeitungsabos
Wo Printabos wegbrechen, sind digitale Lösungen gefragt.

„Reader Revenue“, der Erlös, der nicht von Werbekunden, sondern vom Leser kommt, war das große Ding bei der „Media Innovation Week“ der International News Media Association (INMA) in Hamburg. Zahlreiche Branchenvertreter zeigten in Fallstudien auf, was bei digitalen Abos möglich ist. „Auch im digitalen Geschäft sind Nutzer-Erlöse nichts Neues. Die New York Times hat seit 2011 eine Bezahlschranke und längst mehr Einnahmen aus Abos als aus Anzeigen“, stellt INMA-Researcher Grzegorz Piechota klar.

Regionalzeitungen in Deutschland und Österreich hätten dafür in der Regel zwar noch keine Strategie. Aber international gebe es einige Vorreiter, die ein neues Geschäftsmodell entwickeln, um das Problem der schrumpfenden Anzeigenmärkte zu lösen. Einige dieser Vorreiter stellten ihre Strategie bei der „Media Innovation Week“ vor. Dabei wurde deutlich, wie weitreichend diese „User First“-Strategie ist, wie sie auch die Funke-Gruppe ausgerufen hat.

„Wir verfügen jetzt über die Daten, über die Technik und die Fähigkeiten, die Lesererlöse massiv zu erhöhen – aber dafür ist ein Kulturwandel des kompletten Unternehmens notwendig“, warnt Piechota. Die NZZ, die nach Angaben von Markus Barmettler seit 2017 mehr Umsatz mit den Lesern als mit Anzeigenkunden macht, spricht von einer vollständigen Transformation des Schweizer Verlags. Die Zahl der digitalen Abonnenten sei inzwischen das zentrale Erfolgskriterium. Die Erkenntnis, dass nicht der Werbetreibende, sondern der Leser der Kunde ist, sei ein echter kultureller Wandel gewesen.

Worauf es ankommt: Erfolgskriterien für digitale Abos

Die Loyalität der Leser, messbar in der Häufigkeit der Besuche, ist das zentrale Kriterium für die meisten Verlage, die sich dem „Reader Revenue“ verschrieben haben. Nur Leser, die eine Zeitungsmarke in der Flut der Nachrichten erkennen und ihr vertrauen, seien bereit, für Inhalte zu bezahlen. Eine langfristige Beziehung aufzubauen sei das ultimative Ziel, sagt Matthijs van der Peppel, von NRC Media. Der niederländische Verlag

Inhalte sind daher wichtig: die Verlage investieren in Qualitätsjournalismus und entwickeln neue Formate, die vom Leser besonders geschätzt werden. „Wir finanzieren freien und unabhängigen Journalismus, indem wir Produkte anbieten, für die die Leute zu zahlen bereit sind“, formuliert Tor Jacobsen das Credo des norwegischen Medienhauses Schibsted. Neben Kreuzworträtseln wie das der New York Times sind das alle Themen rund um Essen und Gastronomie – und darauf stürzen sich das Hamburger Abendblatt genauso wie der San Francisco Chronicle.

Gewohnheiten sind auch im digitalen Nachrichtengeschäft ein großer Faktor, der die Bindung zum Medium erhöht. „Wir müssen etwas liefern, dass im Alltag eine Rolle spielt“, sagt Pitt Gottschalk, früher Medienmanager und heute Herausgeber des Fußball-Newsletters „Fever Pit’ch“. Newsletter und regelmäßig erscheinende Podcasts haben daher alle Verlage im Repertoire, viele wollen diesen Bereich ausbauen.

Bezahlschranken sind für die innovativen Medienunternehmen keine Frage, sondern eine Selbstverständlichkeit. Relativ neu sind dabei dynamische Paywalls: Mittmedia (Schweden), Schibsted (Norwegen) oder der San Francisco Chronicle geben ihre Artikel für eine Stunde frei und stellen sie dann komplett hinter die Bezahlschranke. Nur 20 Prozent der Leser kämen in dieser ersten Stunde, „die opfern wir für eine höhere Reichweite. Aber unter dem Strich bringt uns die dynamische Paywall mehr Seitenaufrufe und mehr Abos“, berichtet Mittmedia-Manager Thomas Sundgren.

Micropayments, egal mit welchem System, funktionieren nicht, berichten Verlage, die es ausprobiert hatten. Genauso wenig wie Probeabos, sagt NRC-Manager van der Peppel. Dagegen würden 47 Prozent der Leser, die ein zweijähriges iPad-Abo buchen, verlängern. Auch mit Rabatten auf zwei- oder gar dreijährige Verträge fahre das Unternehmen gut.

Nutzerdaten spielen beim Kampf um „Reader Revenue“ eine zentrale Rolle. Alle Verlage entwickeln neue Analysewerkzeuge und Dashboards, mit deren Hilfe die Redaktionen und auch andere Abteilungen besser erkennen, welche Inhalte die Leser halten und zu Abos führen.

Die „Customer Journey“ ist ein weiterer Terminus, der in Verlagen eine wachsende Bedeutung bekommt. Alle Punkte, bei denen ein Leser mit dem Medienunternehmen in Berührung kommt, vom ersten Seitenaufruf über die Bestellung eines Newsletters oder eines Abos bis weit über die Kündigung hinweg, werden optimiert.

Das Denken in Abteilungen wird dabei zurückgedrängt: Bei Schibsted können Leser unter einer Reihe von bekannten Redakteuren, Kolumnisten oder Führungskräften wählen, wer sie als Ansprechpartner bei dieser Reise begleiten soll. Bei NRC Media gilt der Kundenservice als Abteilung, die am meisten Abos verkauft – oder rettet. Die Niederländer besuchen ihre Kunden sogar zuhause und haben es sich angewöhnt, sich beim Leser hin und wieder zu bedanken.

Personalisierung ist eines der Zukunftsthemen. Unterstützt von Technik, Datenanalyse und Bots sollen die Leser persönlich angesprochen werden; viele Verlage setzen auf eigene Veranstaltungen, um analoge Kontakte herzustellen.

Wie geht es weiter mit dem Geschäftsmodell „Reader Revenue“? Die nächste große Innovation, sagt INMA-Forscher Grzegorz Piechota voraus, seien ausgerechnet Anzeigen. Denn erstens gebe es gar keinen Zielkonflikt zwischen Abos und Werbung. Und zweitens verfügten Verlage, die die „User First“-Strategie umsetzen, anschließend über die Daten, Werkzeuge, Prozesse und Kenntnisse, um relevantere Anzeigen auszuspielen.

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