Wie Michael Ende für die Ohren: Octavia Mars will hochwertige Kinderunterhaltung zurück ins Kinderzimmer bringen
Holger Brandt, Till Paukstat und Tim Turiak finden: Was es aktuell an Kinderunterhaltung im Audio-Bereich gibt, erinnere eher an Fast Food. Sie wollen wieder mehr Michael Ende ins Kinderzimmer bringen und haben sich darum zusammengesetzt, um mit Octavia Mars aus Kindern kompetente Erwachsene mit “Twentyfirst-Century-Skills” zu machen. Doch erst müssen sie einige Challenges meistern. Holger Brandt erklärt in diesem Interview, welche das sind.
Hallo Holger, was ist Octavia Mars?
Octavia Mars ist ein serielles Fantasy Hörspiel. Wir wollen unsere jungen Hörer:innen in 3 Staffeln à 10 Folgen auf einen wilden Ritt durch die Kultur- und Musikgeschichte schicken. Unsere titelgebende Heldin deckt auf der Reise eine Verschwörung auf, die zum Ziel hat, die Musik aus der Welt zu schaffen und damit die Zeit anzuhalten. Octavia trifft dabei auf Komponist:innen, Künstler:innen und andere Meister:innen, aber natürlich auch auf Widersacher:innen, magische Wesen und einen tragischen Bösewicht.
Das klingt beinahe nach “Bill und Teds verrückte Reise durch die Zeit!”
Eher Michael Ende meets Bill und Ted. Als wir uns im Sommer letzten Jahres zusammengesetzt haben, ist uns aufgefallen, dass es unserer Meinung nach viel zu wenig Kinderunterhaltung auf dem Level von “Die unendliche Geschichte” oder auch “Harry Potter” gibt. Die Kinderunterhaltung zur Zeit erinnert eher an Fastfood. Wir wollen etwas machen, was so unterhaltsam ist wie eine Netflix-Serie, aber so gehaltvoll wie Michael Ende, weil wir eben aus unserer eigenen Kindheit wissen, wie sehr uns diese Geschichten geprägt haben. Wir glauben, dass wir vor enormen gesellschaftlichen Herausforderungen stehen und dass erwachsene, kompetente Persönlichkeiten mit Twentyfirst-Century Skills in Zukunft noch wichtiger sein werden.
Wer ist wir?
Wir, das bin ich, Holger Brandt, Till Paukstat und Tim Turiak, alle irgendwie Mitte 40 und mit Marketing-Agentur Hintergrund. Ich bin der Business-Guy, Till ist für das Design und Gestaltung zuständig und Tim für Storytelling und die Kommunikation mit den Autoren. Wir sind uns bewusst, dass wir drei CIS Männer sind. Und man kann sich schon fragen, ob wir die Richtigen sind, um eine Geschichte mit einer weiblichen Heldin zu schreiben. Darum haben wir natürlich auch Autorinnen im Team und würden uns freuen, in Zukunft eine Frau als Gesellschafterin mit an Board zu haben.
Was waren eure ersten Schritte für Octavia Mars? Habt ihr erst mal Mikrofone gekauft?
Wir haben erst mal eine GbR gegründet und dann das grundsätzliche Story-Framework und die Charaktere entwickelt. Und alles in einer Story-Bible zusammengefasst. In einem ersten Writers Room haben wir den Plot eines möglichen Piloten und eine zweite Folge erarbeitet. Das Thema Writers Room ist schon mal ein Hinweis darauf, wie wir in Zukunft arbeiten wollen: im Team, also im kreativen Austausch mit Autor:innen. Daneben haben wir den visuellen Auftritt unserer Hörspielreihe erarbeitet: vom Logo-Design bis zum Packaging. Und natürlich erste Produktionsfragen geklärt.
Wie ging es dann weiter?
Im Journalismus Lab wurden wir an Methoden wie Design Thinking erinnert, woraufhin wir uns stärker mit möglichen Stakeholdern befasst haben: So haben wir uns über Fragebögen und Interviews näher an die Bedürfnisse unserer Zielgruppen – Kinder und Eltern – herangepirscht, um erstes Feedback einzuholen. Darüber hinaus haben wir damit angefangen, uns eine Partnerschaft im kulturellen Bereich zu suchen. Dabei geht es um eine Kompetenz-Partnerschaft, die zeigen soll, warum Till, Tim und Holger eigentlich etwas zum Thema klassischer Musik erzählen können. Das Thema Finanzierung spielt dann natürlich auch eine große Rolle, weswegen wir erst mal ein Pitchdeck entwickelt haben. Da geht es dann auch um Förderprogramme und die Frage, wer uns bei der Umsetzung unserer Idee unterstützen kann. Über Creative.NRW sind wir dann auf das Journalismus Lab gekommen.
So wie du über die Geschichte erzählst, könnte Octavia Mars auch ein Hörspiel sein, Was ist es denn nun: Podcast oder Hörspiel?
Das Zweite. Wir unterhalten uns ständig darüber, wie wir das Projekt jetzt eigentlich nennen. Ist das nun ein Podcast oder ein Hörspiel? Und das hängt auch ein bisschen davon ab, wie sich der Audio-Markt entwickelt. Wir haben in Deutschland ja die Ausnahmesituation, dass wir mit einem Hörspielmarkt ausgestattet sind, der weltweit einmalig ist. Wir sind alle mit “Die 3 Fragezeichen”, “TKKG” und “Benjamin Blümchen” aufgewachsen. Das ist aber international eine absolute Ausnahmesituation.
Parallel dazu gibt es so etwas wie die Toniebox. Die sind 2014 mit einer Kinder-Hörspiel-Hardware an den Start gegangen und gehen jetzt mit einer Bewertung von einer Milliarde Euro an die Börse. Und das wird für uns eben sehr spannend sein zu sehen, wie sich die Toniebox da entwickelt.
In den USA, die uns ja locker vier bis fünf Jahre voraus sind, sehen wir gerade eine Entwicklung von serialized Podcast-Formaten. Und es entstehen auch gerade die ersten Formate für Kinder. Das bedeutet, da entwickelt sich gerade international über die Podcast-Schiene vielleicht so etwas wie wir es in Deutschland mit den Hörspielen haben.
Das heißt, es könnte doch noch ein Podcast werden?
Das hängt am Ende natürlich vom Vertriebsweg ab. Werden wir mit irgendeinem großen Player zusammenarbeiten, wie die Boxine AG, Spotify oder Audible? Da ist ja gerade einiges in Bewegung. Wir sind keine Podcaster mit Leib und Seele, aber auch die Szene befindet sich gerade in einer sehr starken Professionalisierung.
Gibt es denn in Sachen Hörspiele überhaupt einen Markt? Das letzte Mal, dass jemand so etwas wie TKKG gelandet hat, ist schon eine Weile her.
Es gibt in Deutschland immer noch einen sehr umfangreichen Kinder-Audio-Markt mit zahlreichen Releases rund um bekannte Marken, da machen wir uns keine Sorgen. Die Kinder lieben es Hörspiele zu hören und nebenbei noch Lego zu spielen. Und die Eltern lieben es auch, besonders wenn sie im Home Office sind, wenn sie wissen, ihre Kinder hören Hörspiele und sind beschäftigt, statt vor einem Bildschirm zu sitzen. Denn Zuhören regt die Fantasie an. In Deutschland hört laut einer aktuellen Umfrage jedes Kind zwischen ein bis zwei Stunden.
Zurück zum Business-Modell: Content zu produzieren ist immer sehr aufwändig und skaliert schlecht. Wenn ihr verstanden habt, wie der Markt funktioniert, warum nicht auf eine Plattform setzen?
Mit dem Plattformgedanken haben wir uns vor allem im Journalismus Lab auseinander gesetzt. Denn es ist schon ein riesiger Unterschied, ob du eine Geschichte erzählst oder eine Plattform schaffst, auf der Geschichten erzählt werden. Ich habe in der Vergangenheit schon selbst eine Plattform entwickelt und weiß, was das bedeutet. Und ich weiß, dass ich das nicht unbedingt nochmal machen möchte. Zumal der Markt mit Spotify und Co gut gesättigt ist.
Was wir uns zusätzlich zum Hauptgeschäftsmodell überlegt haben, ist über Merch abseits von Büchern und Stofftieren Einnahmen zu generieren, zum Beispiel mit Lizenzprodukten. Das könnten dann auch Spin-Offs sein oder Zusatzcontent zum Hintergrund zum Beispiel. Wir könnten uns auch vorstellen mit einem Schulbuchverlag zusammenzuarbeiten, um das Unterrichtsmaterial ein bisschen aufregender zu gestalten.
Am Ende sehen wir uns als Produktionsfirma und als solche entwickeln wir gerade ein innovatives und zukunftsträchtiges Format für den Audiomarkt.
Was ist der aktuelle Stand und wo braucht ihr noch Hilfe?
Der aktuelle Stand ist, dass wir eine Story Bible haben, das heißt, wir wissen wie sich die Story über drei Staffeln á acht Episoden entwickeln wird. Wir kennen unsere Hauptcharaktere schon recht gut, haben einen Business-Plan und auch schon ganz gute Kontakte für den Audio-Produktions-Teil, mit dem wir ja bisher noch nicht so viel zu tun hatten.
Und das ist auch noch die Unbekannte. Wie soll das überhaupt klingen? Welche Sprecherin braucht man für ein elfjähriges Mädchen? Eine elfjährige Schauspielerin oder eine zwanzigjährige Schauspielerin, die klingt wie eine Elfjährige? Um das herauszufinden ist unser Ziel noch in diesem Jahr einen Trailer und eine Hörprobe zu produzieren. Für die erste Staffel suchen wir noch nach einer Finanzierung.
Wann würdet ihr das Projekt abbrechen?
Wenn die Kinder sagen, das ist eine blöde Geschichte. Wir bewegen uns ja auf einem schmalen Grat zwischen Wirtschaft und Kunst. Was uns antreibt ist ja die Entwicklung von kompetenten Persönlichkeiten, von erwachsenen Persönlichkeiten. Wenn das aber niemand will, sondern nur ihre 20 Minuten Paw Patrol-Serien, dann würden wir sagen, dass die Welt dann halt ohne Octavia Mars auskommen muss.