Dlf Pilot: Nutzerzentrierte Produktentwicklung in traditionellem Radiosender
Wie können innovative Arbeitsmethoden & agile Produktentwicklung in traditionellen Medienhäusern umgesetzt werden? Benjamin Schöndelen vom Deutschlandradio und sein Team haben im vergangenen Jahr ein Pilotprojekt durchgeführt und gezeigt, dass klassische Medienhäuser und nutzerzentrierte Produktentwicklung zusammenpassen. Der entwickelte Prototyp präsentiert erste Lösungen, wie mit digitale Innovationen neue Hörerinnen und Hörer erreicht werden können.
Während seiner Session auf dem Audiocamp 2021 gab Benjamin Schöndelen einen Überblick über den den Prozess, der hinter dem Innovationsprojekt, das vergangenes Jahr vom Deutschlandradio durchgeführt wurde, steckte und auf der Methode des Design Thinking aufbaute. Benjamin Schöndelen thematisierte zuerst das bekannte Unternehmen Deutschlandradio selbst und stellte zwei Thesen heraus:
1. Deutschlandradio ist – wie beispielsweise auch Spotify – ein Software-Anbieter. Allerdings hat Deutschlandradio den Vorteil, dass eigene Inhalte kuratiert werden können.
2. Die Apps und die Webseite werden in Zukunft die digitalen Säulen von Deutschlandradio bilden, obwohl die Sender noch einem klassischen linearen Radiosystem folgen.
Prototyping im traditionellen Medienhaus
Durch Interviews innerhalb des Medienhauses, aber auch mit Hörerinnen und Hörern und einer Marktanalyse wurden wesentliche Kernpunkte herausgearbeitet, die die Zukunftsfähigkeit von Deutschlandradio im digitalen Bereich stärken sollen. Heraus kamen Personalisierung, Design und den Live-Audioplayer als die zentralen Elemente. So weit die Bestandsaufnahme. Und jetzt? Auf Grundlage der Ergebnisse entwickelte das Team in Zusammenarbeit mit MAKE STUDIO einen interaktiv bedienbaren Prototypen auf Basis der aktuellen App von Deutschlandradio. Anschließend testeten und bewerteten Nutzerinnen und Nutzern diesen Prototyp.
Benjamin Schöndelen resümiert in einem kurzen Fazit des Innovationsprojekts, dass es, sowohl intern als auch extern, viel gutes Feedback gab und viele neue Erkenntnisse anhand des Projektes abgeleitet werden könnten. Im Anschluss eröffnete er die Diskussion mit den Session-Teilnehmenden.
Alle mit Begeisterung mitnehmen
Zu Beginn der Diskussionsrunde wurde die Resonanz innerhalb des Medienhauses selbst aufgegriffen, denn schließlich bildet das Team Multimedia Online mit Benjamin Schöndelen nur einen kleinen Teil des Medienhauses ab. Er machte deutlich, dass sie intern vor der Herausforderung standen, alle im Haus mitzunehmen, denn viele wüssten gar nicht so richtig, was das Ziel eines solchen Innovationsprojektes sei. Genau aus diesem Grund heraus haben sie von Anfang an sehr viel Wert auf die Transparenz des Projektes gelegt: Es wurden Postkarten gedruckt und Flyer an den Kaffeemaschinen ausgelegt, denn so konnten sie auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus anderen Bereichen erreichen. Durch diese transparente und interaktive Begleitung des Projektes, war das interne Feedback sehr gut: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter konnten eine konkrete Vorstellung von nutzerzentrierter Arbeitsweise entwickeln und es war eine Art „Aufbruch“ spürbar.
Wie ist denn jetzt der Stand der Dinge? Was passiert nun und wo steht das Team nach dem Prozess? Benjamin Schöndelen antwortete, dass das Pilotprojekt abgeschlossen ist, aber viele Learnings dabei herausgearbeitet werden konnten, die es nun zu realisieren gilt. Es sei also nun die eigentliche Aufgabe, die digitalen Angebote umzusetzen.
Darüber hinaus kam die Frage auf, nach welchen Kriterien beim Deutschlandradio kuratiert wird und ob eine Automatisierung denkbar wäre. Benjamin Schöndelen selbst ist eher für die Produktentwicklung, nicht für die redaktionellen Arbeiten zuständig. Dennoch weist er daraufhin, dass die Inhalte immer journalistischen sowie Relevanzkriterien, wie beispielsweise Aktualität, zugrunde liegen. Darüber hinaus hat das Deutschlandradio Programmrichtlinien, die sehr breit gefächert sind, und ebenfalls bedient werden müssen. Eine Automatisierung sei auf jeden Fall denkbar und es wird bereits ein Projekt mit der Universität Köln durchgeführt, dass genau diese Automatisierung wissenschaftlich betrachtet und Fragen klärt, wie beispielsweise die Automatisierung in Einklang mit dem Rundfunkstaatsvertrag gebracht werden könnte. Denn es dürfen ja schließlich keine eigenen „bubbles“ entstehen, sodass „es immer eine Mischung aus redaktionellen Empfehlungen und algorithmischen Empfehlungen geben [wird.].“