Wer mit Nachrichten Geld verdienen will, braucht Reichweite, Ressourcen und gute Ideen
Wenn die Besucher des Cashcamps daran gezweifelt hatten, dass mit digitalen journalistischen Produkten Geld zu verdienen ist, hat sie der Vortrag von Alexander Winkens eines Besseren belehrt. Der NTV Commercial Manager für Digitales präsentierte zwei Beispiele dafür, wie NTV mit seinem Internetangebot sogar in Pandemiezeiten gute Geschäfte gemacht hat.
Als Wegweiser oder Modell für journalistische Startups oder Einzelkämpfer, das wurde schnell klar, sind Winkens Beispiele nicht wirklich geeignet. Denn einerseits gehört ntv.de laut Winkens immerhin zu den Top 3 der digitalen Newsangebote in Deutschland und verfügt über eine entsprechende Reichweite. Andererseits können Winkens und Kollegen als Teil der Mediengruppe RTL Deutschland über technische, finanzielle und personelle Ressourcen verfügen, die schnelles Handeln und durchaus risikoreiche Projekte erst möglich machen.
Diesen Startvorteil erläuterte Alexander Winkens zu Beginn seines Vortrags mit dem Titel „Digitale News-Peak agil monetarisieren“ anhand einiger Zahlen: NTV zählt pro Monat 20 Millionen Unique User mit einer durchschnittlichen Verweildauern von 1,5 bis 2 Minuten, hat „die stärkste Nachrichten-App“ sowohl für iOS wie für Android Smartphones und nicht zuletzt eine etablierte Vermarktungsstruktur, die die konzerneigene AdAlliance und ergänzend Möglichkeiten der Drittvermarktung nutzt.
News-getriebene Peaks sind schwer planbar
Dieser unternehmerische Rahmen ermöglichte es, das mit Pandemiebeginn sprunghafte gestiegene Informationsbedürfnis der Bevölkerung durch agile Produktentwicklung zu befriedigen und damit auch wirtschaftlich erfolgreich zu sein. Grundsätzlich keine leichte Aufgabe, wie Winkens konstatierte, denn aus Sicht von Werbekunden sind Nachrichtenseiten – only bad news is good news – ein eher negatives Werbeumfeld; außerdem könnte der nachrichtliche Qualität des Angebot durch Sponsoring oder Content Hubs kompromittiert werden. Das allerdings scheint in Corona-Zeiten eine vernachlässigbare Größe zu sein, weil die Suche nach aktuellen Informationen über Entwicklung und Hintergrund der Pandemie die Klickzahlen explodieren ließen: Ob bei Page Impressions, Visits oder Unique User: ntv.de und die dazugehörige App erreichte Rekordwerte.
Die Page Impressions verdoppelten sich im März von den üblichen rund 800 000 auf 1,6 Millionen, die Visits sprangen von 190 000 auf 410 000, und aus den erwähnten 20 Millionen Unique Users wurden über 27 Millionen. Alle drei Werte sanken in den Folgemonaten ab, lagen aber im August noch durchweg über den Ausgangswerten. Zu verdanken ist das offenbar nicht zuletzt dem Coronavirus-Liveticker, den NTV angesichts der Nachfrage schnell und mit einem umfassenden Angebot aufgebaut hatte – obwohl man durchaus skeptisch war, ob sich das letztlich lohnen würde. Denn die Vermarkter erhielten im Frühjahr durchaus widersprüchliche Signale der Werbetreibenden: Während einerseits viele einkalkulierte Budgets gestrichen wurden, verzeichnete man auf dem werbeintensiven Lebensmittelsektor einen spürbaren Zuwachs.
Die Herausforderung: Reichweite agil monetarisieren
Der zunächst befürchtete Einnahme-Rückgang konnte vermieden werden, erklärte Winkens, ohne konkrete Zahlen zu nennen. Der Ticker spielte dabei offenkundig eine Schlüsselrolle. Das Nachrichtenangebot war einerseits sehr umfangreich, weil der Ticker laufend durch neue Artikel aktualisiert wurde; andererseits ist es komfortabel für die Nutzer. Sie finden aktuellsten Neuigkeiten auf einen Blick, kommen aber durch den Read-More-Button auch direkt in die die Tiefen der Seite.
Mit dieser Methodik erreichte der Liveticker eine Klickrate von 33 Prozent, verzeichnete einen 8-fachen Anstieg der Sichtbarkeit und einen 6-fachen Anstieg des effektiven Tausender-Kontakt-Preises (eTKP). Wenig überraschend wurde der Liveticker von Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen als attraktives Umfeld für Anzeigen erkannt.
Das allerdings hatte die Entwickler zunächst nicht im Blick, der Ticker war eine Investition in ein journalistisches Angebot, das erst im Nachgang monetarisiert wurde. Grundlage dafür waren Gespräche mit den Vermarktern zu deren Erwartungen und das Ausloten bei Grafik und Technik, welche Lösungen mit einem möglichst kleinen Eingriff ins Nutzerverhalten machbar wären.
Nutzwertige Inhalte im E-Commerce-Kontext
Als zweites Beispiel präsentiert Alexander Winkens das Konzept „Commercial Content“. Das funktioniert grundsätzlich unabhängig von externen Nachrichtenereignissen, bekam aber durch die Veränderungen des Verbraucherverhaltens während der Epidemie einen kräftigen Anschub. Das führte zu einem verstärkten Boom im Online-Handels, der wiederum eine Nachfrage nach Produktinformationen nahe legte. Weil die Nutzeranalysen schon zuvor gezeigt hatten, dass Berichte über neue Produkte oder bevorstehende Rabattaktionen schon immer gut liefen, wurde die Rubrik „Shopping & Service“ eingeführt.
Dort liefere man den Nutzern über Testberichte oder Praxistests einen Mehrwert und könne zugleich über hohe Klickzahlen und Affiliate Marketing Einnahmen erzielen. Beispielsweise wurde dort ein Artikel des Magazins Runners World aufgegriffen, in dem über denen Test für Laufschuhe berichtet wurde: Der Fitnesstrend sorgt für gute Klickzahlen, ein Link zum Portal für einen offenbar attraktiven „share für uns“, wie es Winkens formulierte. Gute Erfahrungen mache man auch bei Artikeln zu Ergebnissen der Stiftung Wartentest oder, grundsätzlich, zu Technik-Themen.
Das sei, so Winkens, trotz des journalistischen Umfeld ein legitimer Weg Geld zu verdienen. Man drehe den Leserinnen und Leser nichts an, sondern mache ein Angebot. Letztlich handelt es sich aus Sicht von NTV um einen alternativen Vertriebsweg, denn kaufen würden die Menschen sowieso. Diskussionen mit der Redaktion, deutete Winkels an, gebe schon gelegentlich, als problematisch stellte er das allerdings nicht dar. Allerdings achtet der Commercial Manager darauf, kritischen Kollegen in der Redaktion keine allzu einfachen Vorlagen zu liefern. Denn in der Rubrik werden auch die auch von Redakteuren nicht gern gesehenen gesponserten Artikel veröffentlicht – die würden aber konsequent mit dem Wort „Anzeige“ gekennzeichnet.