Debatte beim Cashcamp: Ist ein Netzwerk der Ausweg für lokale Online-Medien?
In einer sehr offenen, auf Ideenentwicklung angelegten Diskussion beschäftigten sich diverse Teilnehmer*innen des Cashcamps mit dem Dilemma der Finanzierung unabhängiger lokaler Onlinemedien. Moritz Meyer, der sowohl für die Rhein-Zeitung als auch das YouTuber-Netzwerk Mediakraft gearbeitet hat, wollte vor allem das Problem ausloten und gemeinsam nach Lösungsvorschlägen suchen. Das Thema, so zeigte sich schnell, ist hochaktuell – und stieß auf rege Beteiligung der virtuellen Barcamper.
Meyers Idee, die er den rund 30 Session-Teilnehmer*innen zur Diskussion stellte, fußt auf folgender Ausgangslage: Lokaljournalistische Medien haben große Schwierigkeiten, sich zu finanzieren. Die Zeitungen verlieren Leser und tun sich nach wie vor schwer, digitale Geschäftsmodelle zu finden. Lokalblogs und alternative Onlinemedien hingegen sind aufgrund ihrer geringeren Reichweite für viele Werbekunden nicht attraktiv genug. Hinzu kommt der Ressourcenmangel, was die eigenen Vermarktungsaktivitäten betrifft. Wie wäre es nun, wenn lokale und sublokale Onlinemedien sich zu einem Netzwerk zusammenschließen, um gemeinsam eine höhere Schlagkraft zu erreichen?
Als Vorbilder dienen Meyer so genannte Multichannel-Networks, die vor etwa zehn Jahren als Geschäftsmodell für YouTuber entstanden sind. Die Videoplattform ist eins der wenigen sozialen Netzwerke, die Kreatoren an den Einnahmen beteiligen. Um die einzelnen YouTuber von den vielen Aufgaben jenseits der Contenterstellung zu entlasten, schlossen sich damals einige von ihnen zusammen. „Das waren im Grunde TV-Sender aus vielen einzelnen kleinen Kanälen“, erläutert Moritz Meyer, der selbst eine Zeitlang als Pressesprecher für das YouTuber-Netzwerk Mediakraft gearbeitet hat.
YouTuber-Netzwerke als Vorbilder für Lokaljournalismus-Akteure?
Die Multichannel-Networks konnten sich nicht nur gegenseitig bei Monetarisierung, Marketing, Rechteverwaltung und Produktionsaufgaben unterstützen, sondern profitierten auch von einer hohen gemeinsamen Reichweite. „Könnte so etwas nicht auch auf der Ebene von Blogs und Onlinemagazinen funktionieren?”, fragte Moritz Meyer. Wenn ein Lokalblog aus dem Ruhrgebiet beispielsweise 100.000 Leserinnen und Leser erreiche, sei das für eine Website allein zwar viel, insgesamt aber wenig. „Zehn Blogs mit einer Reichweite von einer Million sehen da schon anders aus.“
Das Plenum zeigte sich teils angetan, teils skeptisch. „Die Idee ist gut“, stimmte ein Publisher aus Köln zu, der über eigene Probleme berichtete, Werbekunden für Special-Interest-Websites zu gewinnen. „Allerdings gibt es auch viel Futterneid unter den Anbietern.“ Eine Bloggerin aus dem Rhein-Main-Raum bestätigte das: Konkurrenten würden „aggressiv weggebissen“, beispielsweise von Zeitungsverlagen. „Da wird sogar Einzelhändlern gedroht.“ Sie berichtete auch von einem früheren Vorhaben, sich mit Kollegen in der Umgegend zu vernetzen. „Wir haben aber alle immer so viel zu tun, dass es nie in die Pötte gekommen ist.“
Einigkeit herrschte darüber, dass vielen lokalen Werbekunden noch immer das Verständnis fürs Digitale fehle. Ohne persönliche Beziehungen und Face-to-Face-Akquise laufe fast nichts, berichteten mehrere Blogbetreiber*innen übereinstimmend. Doch so etwas ist mühsam und zeitraubend. „Bei mir funktioniert es ganz gut, wen ich in Läden reingehe und mich dort persönlich vorstelle“, erzählte eine Bloggerin aus Baden-Württemberg. „Wenn ich es per Mail versuche, funktioniert es eigentlich nie.“
Austausch über Vermarktungserfolge
Einnahmen erzielen die Angebote unter anderem über Advertorials, gesponserte Posts in sozialen Medien und klassische Bannerwerbung. Ein Blogger aus dem Sauerland berichtete, dass sein Onlineprojekt gerade den Schritt in die analoge Welt wage und eine Printausgabe herausbringe. „Wir bieten an, im Printprodukt eine Anzeige zu schalten und diese dann auch online zu auszuspielen. So wollen wir unsere Kunden daran gewöhnen, dass man auch online Reichweite haben kann.“ Das funktioniere sehr gut.
Die digitale Pinnwand, auf der Host Moritz Meyer die Schlagworte der Diskussion in virtuellen Post-its vermerkte, füllte sich zusehends. Ein Kommunikationsforscher gab zu bedenken, dass ein Vermarktungsnetzwerk nur schwer mit dem lokalen Charakter der Onlinemedien in Einklang zu bringen sei: „Einen Bäcker in Mainz interessiert es nicht, wenn seine Werbung auch in Hamburg läuft.“ Er schlug stattdessen Werbeagenturen als mögliche Partner vor. Auch sei es wichtig, die Perspektive der Werbekunden mitzudenken: „Wie kann ich einem Unternehmen helfen, in die Kommunikation mit seinen Kunden zu kommen?“
Die lebhafte Diskussion musste schließlich aus Zeitgründen abgebrochen werden, wird die Szene aber sicher weiter begleiten. Host Moritz Meyer bot an, weiteren Erfahrungsaustausch in die Wege zu leiten und Interessent*innen untereinander zu vernetzen. Seine Gedanken zum Thema hat er auch in einem Blogpost zum Cashcamp zusammengefasst.