Mit der Startup School beginnt das Gründerleben
„Ihr seid Pioniere. Ihr seid unsere Pioniere“, begrüßt Simone Jost-Westendorf jene acht Personen, die sich für die Teilnahme am Reinvent Local Media-Fellowship qualifiziert haben. Das dreimonatige Förderprogramm für Mediengründerinnen und –gründer beginnt mit einer zweiwöchigen Startup-School, die das Handwerk und Rüstzeug für die kommenden Monate vermitteln soll.
Schulbänke sind zwar nicht im Raum, aber die Schülerinnen und Schüler werden heute noch mit Bastelscheren, Klebestiften und Zeitschrift-Ausschnitten hantieren. Dahinter steckt Methode, denn in der Startup-Schule gibt es wenig Frontalunterricht und die Teams sind stets gefragt, vermitteltes Wissen auf ihre eigenen Projektvorhaben anzuwenden.
Das beginnt schon in der ersten Stunde: Für das Projekt benötigt jedes Team einen One-Sentence-Pitch, also einen griffigen Satz, der das Produkt und die Idee dahinter kurz und knapp zusammenfasst. Was banal klingt, kann bereits eine fordernde Aufgabe für die anwesenden Journalisten, Designer und Filmemacher sein. „Richtet sich der Satz jetzt an die Kunden oder an Investoren?“, wirft Sebastian Wehkamp in den Raum, bevor er mit seinem Team-Kollegen Dario Albiez ins Brainstorming geht.
Die Startup-Schule ist nicht nur für die Teilnehmenden eine neue Erfahrung, sondern auch für den Veranstalter eine Premiere. Umso besser, dass Vor Ort NRW sich zur Ausrichtung Unterstützung von erfahreneren Partnern eingeholt hat, etwa dem Media Lab Bayern, den Innovation Radicals und dem Startplatz Düsseldorf, einem Co Working-Space am Medienhafen der Landeshauptstadt.
Dort sollen die Fellows künftig mindestens zehn Stunden pro Woche verbringen. Dazu haben sie sich mit der Förderung verpflichtet. Sie haben zugewiesene Schreibtische im offenen Büro, was mit der manchmal etwas höheren Lautstärke nicht den Geschmack aller trifft. Thorsten Lenze und Laura Rohrbeck ziehen lieber zwei Stockwerke nach unten in einen Stillarbeitsbereich. Telefonieren am Platz? Streng verboten.
Coachings, Pitches und Branchentreffen
Die dritte Etage des eher unscheinbaren Hochhauses im Medienhafen war bereits Austragungsort zweier Veranstaltungen, die im Vorfeld des Fellowship-Programms stattfanden: der Local Media Innovation Day und der Hackathon hacking://journalism. Events, die so gut angenommen wurden, dass Vor Ort NRW sie voraussichtlich im kommenden Jahr wieder ins Programm nehmen wird.
Auf dem Programm der aktuellen Fellows hingegen steht die Weiterentwicklung ihrer Medienprojekte, um bis zur öffentlichen Abschlusspräsentation am 15. Januar 2019 möglichst auf eigenen Beinen zu stehen: mit einem schlüssigen Geschäftsmodell und einem etablierten Team zur erfolgreichen Umsetzung. Um das zu gewährleisten, erhalten sie wöchentlich Beratung von professionellen Coaches und stehen über eine gemeinsame Slack-Gruppe auch untereinander stets in Kontakt.
Außerdem werden sie ihre Projekte in den kommenden Monaten auf diversen Branchenevents präsentieren – Rockets & Unicorns in München, Vocer Innovation Day in Hamburg, Journalistentag NRW in Dortmund, Digitale Leute Summit in Köln – optimale Gelegenheiten also, um das eigene Unternehmen bekannt zu machen, wertvolles Feedback einzuholen und sich in der Branche vielseitig zu vernetzen.
Erstmal durchatmen: durch bewusste Reflektion zum klaren Konzept
Zwar brennen den angehenden Gründern Fragen wie „Welche Rechtsform ist in unserem Fall sinnvoll?“, „Wie greifen wir eigentlich auf unser Budget zu?“ oder „Welche Musik dürfen wir für unsere YouTube-Videos benutzen?“ unter den Nägeln, doch dieser Enthusiasmus wird am ersten Tag der Schulung mit einer Atemübung gezügelt. Immerhin werden im Verlauf der nächsten zwei Wochen noch Kurse zu allen möglichen Themen folgen, von Finanzen über einen IT-Crashkurs bis hin zu effektivem Marketing.
Doch zunächst steht eine Selbstreflexion an. Jeder Teilnehmende soll individuell für sich erarbeiten, an welchem Punkt er gerade steht. „Wichtig ist, dass ihr das nicht nur auf den Beruf, sondern vor allem auf euer persönliches Leben bezieht“, erklärt Coach Masiar Nahast seinen Schülern. Innerhalb der nächsten Dreiviertelstunde verteilen sich die drei Frauen und fünf Männer mit einem Plakat, einem Haufen Zeitschriften und Bastelmaterialen im Raum und bannen ihre Ziele für die Zukunft auf Papier.
Reinvent Local Media: Fordern und fördern
Durch derlei kreative Arbeit entsteht bereits am ersten Tag eine Art familiäre Stimmung unter den Geförderten. Von Konkurrenzgedanken keine Spur. Das liegt vielleicht auch an den unterschiedlichen Ausrichtungen der Projekte. Während die einen ein lokales Videoangebot für Touristen aus der Taufe heben, wollen die anderen die Musiksuche für Redakteure und Werbetreibende erleichtern.
„Im Bestfall ergänzen die Teams einander konstruktiv. Je größer die Herausforderung, desto entscheidender der Austausch mit Gleichgesinnten und Andersdenkenden“, sagt Stanley Vitte, der bei Vor Ort NRW für Kommunikation und Events verantwortlich ist.
Coach Masiar Nashat erwartet von den vier Teams, dass ihnen zum Abschluss der Startup-School wesentlich klarer sein wird, was genau sie machen wollen und wie sie es machen werden. Für die weitere Arbeit am Produkt gibt er ihnen diverse Tipps mit auf den Weg, vor allem: die „Kundenbrille“ nicht zu verlieren, Neugier und Empathie beizubehalten, in sich selbst zu vertrauen und immer wieder die persönliche Komfortzone zu verlassen. Er ist überzeugt, dass die vier Teams dazu auf einem guten Weg sind.
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