Für Lokaljournalisten: Lektionen von der Fachkonferenz Dataharvest
Auf der Fachkonferenz Dataharvest in Mechelen treffen sich einmal im Jahr Investigativ- und Datenjournalisten aus ganz Europa. Ihre Tipps können auch bei lokalen Recherchen helfen, denn gerade in Datensätzen kann man exklusive News und spannende Storys entdecken.
Eine Frau steht mit einem Notizblock in der Hand auf einem Hügel. Sie ist hochkonzentriert dabei, die Korruption in ihrem Land aufzudecken. Doch sie merkt nicht, wie ein Mann ihr den Boden unter den Füßen weggräbt. Es ist die ermordete maltesische Journalistin Daphne Caruana Galizia. Gerade hat ihr Sohn, Matthew Caruana Galizia, auf einem Podium über sie gesprochen. Jetzt hängen sie beide an einer Wand – auf einer Zeichnung des Cartoonisten Pieter Fannes, der die Vorträge auf der EIJC Konferenz Dataharvest visualisiert.
Konferenz? Nein, das hier ist etwas anderes, sagt Organisatorin Brigitte Alfter: „Wir sind eigentlich eine Nonference!“ Das „N“ stehe für Netzwerken. Denn darum soll es hier vor allem gehen. Ihre Mission: Journalisten, Programmierer und Datenanalysten zusammenbringen – und zwar über Ländergrenzen hinweg. Einmal im Jahr kommen Investigativ- und Datenjournalisten aus ganz Europa in der belgischen Stadt Mechelen zur Dataharvest (zu Deutsch: Datenernte) zusammen, um sich gegenseitig ihre Tricks zu verraten.
Gemeinsam sind wir stärker
Die maltesische Journalistin Daphne Galizia war ganz allein – und das hat sie verwundbar gemacht. Statt mit ihr im Team zu recherchieren, haben Kollegen ihr das Feld überlassen und somit den Boden unter ihren Füßen ins Wanken gebracht. Mit dem „Daphne Project“ soll ihre Recherche nun fortgesetzt werden – von vielen Journalisten, gemeinsam. Es zeigt, wie wichtig es ist, dass wir uns zusammentun. Investigative Recherchen können Korruption aufdecken und die Mächtigen unter Druck setzten – und das kann eben auch gefährlich sein. Doch im Lokalen scheitern aufwändige Recherchen leider oft schon an der Zeit.
When artwork tells more than words. Cartoonist Pieter Fannes practising visual reporting at #EIJC18. On the illustrations, keynotes speakers @jorisluyendijk and @mcaruanagalizia pic.twitter.com/N5Rip2ziDp
— Journalismfund.eu (@journalismfund) 26. Mai 2018
Ein Blick in die Trickkiste der Investigativ- und Datenprofis lohnt sich trotzdem. Natürlich kann nicht jeder Lokaljournalist die große Follow-the-Money-Recherche umsetzen. Aber die Tipps lassen sich oft auch ins Lokale übertragen. Alle Handouts zur Konferenz gibt es unter https://dataharvest.eu/handouts/
Tipps für Recherchen im Lokalen
- Ein spannendes Feld für Lokaljournalisten sind Ausschreibungen. Wer wissen will, wie Regierungen unsere Steuern ausgeben, an welche Firmen die Aufträge vergeben werden und wie man darin Korruption erkennt, kann Daten zu Ausschreibungen in der interaktiven Datenbank Open Tender finden – aufbereitet durch das digitale Visualisierungs-Tool Elvis, das dabei helfen soll, Muster in den Daten zu erkennen. So kann man die Daten etwa danach befragen, wer den IT-Markt in den Niederlanden dominiert oder welche Firmen in der Slovakei am meisten mit öffentlichen Geldern verdient.
- Nach interessanten Geschichten muss man nicht immer tief graben. Manche werden uns regelrecht auf dem Tablett serviert. Wir müssen nur wissen, wie man sich am Datenbüffet bedient. Auf Open-Data-Portalen, wie etwa regionalstatistik.de. Aber Vorsicht! „Open-Data-Portale sind auch nur wie Pressemitteilungen“, sagte Simon Wörpel von Correctiv in seinem Workshop und erläuterte: „Ich muss mich wie bei einer menschlichen Quelle fragen, welche Interessen dahinter stecken.“ Offene Daten könnten einem zwar Hinweise auf interessante Entwicklungen geben. Für die richtige Geschichte müsse man aber oft weitergehen und ganz klassisch journalistisch mit Betroffenen sprechen.
- Wer sich nicht auf öffentliche Daten verlassen will, der muss lernen, sie selbst aus dem Netz zu fischen. Wie das sogenannte Daten-Scraping funktioniert, erklärte Barnaby Skinner in seinem Workshop: Zunächst müsse man die Programmiersprache Python lernen, mit der sich über die Software-Bibliothek Pandas Daten aus dem Netz lesen lassen. Anders als bei anderen Konferenzen gibt es bei der Dataharvest nicht nur Vorträge, sondern auch eine Reihe von Hands-On-Programmierkursen. Dabei konnten sich die Teilnehmer auch zeigen lassen, wie man Daten säubert, analysiert und visualisiert.