Von Trollen, Twitter und den Chancen für einen neuen Journalismus
LfM-Studien zum Digitalen Journalismus (Lilienthal, Weichert u. a.) und zu Social Media und Journalismus (Neuberger u. a.) vorgestellt.
Praxis-Check in der Bundespressekonferenz
Weitreichende Veränderungen durch digitale Entwicklungen und die zunehmende Nutzung von Social Media zwingen Journalisten und Medienhäuser zu erheblichen Anpassungen. Mit welchen Strategien deutsche Internetredaktionen dieser Herausforderung begegnen, zeigen zwei neue Journalismus-Studien, die die Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen (LfM) am 16. Oktober 2014 in der Bundespressekonferenz in Berlin vorgestellt hat: die LfM-Studien „Digitaler Journalismus. Dynamik – Technik – Teilhabe“ und „Social Media und Journalismus“.
Die Ergebnisse belegen systematisch die Veränderungen in der journalistischen Berufspraxis, im Berufsbild, im Selbstverständnis und im Verhältnis der „Macher“ zu den Nutzern. Besonders die Beziehung zwischen aktivem Publikum und Journalisten stellt beide Seiten nach wie vor vor erhebliche inhaltliche, produktionelle, aber auch ökonomische Herausforderungen.
Der Austausch von Laien mit Redaktionen über Social Media und Blogs ist medienhistorisch neu: Wie gehen Redaktionen z. B. mit Störern, sogenannten Trollen um? Wie kanalisieren sie den „Traffic“ von sozialen Netzwerken auf die eigene Homepage? Die Hamburger Wissenschaftler Volker Lilienthal und Stephan Weichert haben mit einer breiten Untersuchung von u. a. 270 journalistischen Websites sowie Leitfadengespräche mit Redaktionsverantwortlichen (u. a. von „Zeit online“, „Stern.de“ und „Südeutsche.de“) gezielt deutsche Online-Angebote analysiert. Sie zeigen damit den Ist-Zustand der Strategien von Medienhäusern bei der Beantwortung der Frage, wie die Instrumente des digitalen Journalismus nutzbringend eingesetzt werden können.
Viele Redaktionsleiter sehen noch Defizite bei ihren Mitarbeitern im Umgang mit Social Media. Das ergab die zweite Studie, die von Christoph Neuberger (LMU München) wissenschaftlich geleitet wurde. Die Redaktionen stehen derzeit vor der Herausforderung, Stärken und Schwächen von Social Media zu ermitteln. Inhaltlich sind – als Ergebnis der Befragung von 105 Internetredaktionen – Qualitätssteigerungen mit Blick auf die Aktualität, die Vielfalt von Meinungen und den Austausch mit dem Publikum erkennbar. Ökonomisch betrachtet verfehlen vor allem die Tageszeitungen das Ziel, in sozialen Medien Erlöse durch Werbung zu erzielen.
LfM-Direktor Jürgen Brautmeier sagte bei der Vorstellung der beiden Studien, angesichts der strukturellen Umbrüche sei es wichtig, Vielfalt und Qualität journalistischer Angebote dauerhaft sicherzustellen: „Unsere Gesellschaft muss ein großes Interesse an zukunftsfähigen Medien haben. Viele, ob Verleger, Rundfunkveranstalter oder Journalisten, suchen nach Antworten auf drängende Fragen, zum Beispiel nach der Vereinbarkeit von qualitativ guten Inhalten und wirtschaftlich funktionierenden neuen Konzepten. Die LfM macht mit den Studien diejenigen Transformationsprozesse sichtbar, denen sich Journalisten und Medienhäuser stellen müssen.“
Im Anschluss an die Präsentation hat die Landesanstalt für Medien deshalb Autoren und Journalisten verschiedener Leitmedien (Barbara Hans, Spiegel Online; Philip Grassmann, der Freitag; Oliver Michalsky, Die Welt-Gruppe; Daniel Fiene, Rheinische Post-Gruppe) mit den Wissenschaftlern unter der Moderation von Klaudia Wick ins Gespräch gebracht. Die wichtigsten Ergebnisse dieses Austausches enthält der Tagungsbericht.
Brautmeier kündigte an, die LfM werde den Austausch zwischen Wissenschaft und Praxis weiter intensivieren.
Bibliografische Quellenangaben der Studien:
Volker Lilienthal, Stephan Weichert, Dennis Reineck, Annika Sehl, Silvia Worm: Digitaler Journalismus. Dynamik – Teilhabe – Technik. Leipzig (Vistas), 2014. Schriftenreihe Medienforschung der Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen, Band 74. ISBN 978-3-89158-604-4. 26,- Euro
Christoph Neuberger, Susanne Langenohl, Christian Nuernbergk: Social Media und Journalismus. Düsseldorf: LfM, 2014. LfM-Dokumentation, Band 50. ISBN 978-3-940929-33-4.
Diese Studie kann kostenlos bei der LfM bestellt werden.